Strafanzeige wegen gemeinschaftlichen Mordes

Staatsanwaltschaft, 53222 Bonn Abschrift

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Geschäfts-Nr.: 50 Js 81/00 Datum: 14.01.2000/Mi.

(- Bitte bei allen Schreiben angeben -)

Betrifft:

Ihre Strafanzeige vom 03.01.2000 gegen Bundeskanzler Schröder und Andere

wegen gemeinschaftlichen Mordes

Sehr geehrter Herr Göhring,

ich habe den Inhalt Ihrer vorbezeichneten Strafanzeige geprüft, jedoch zu Massnahmen der Strafverfolgung keinen Anlass gesehen, weil das von Ihnen angezeigte Verhalten nicht mit Strafe bedroht ist.

Soweit Sie Bundeskanzler Schröder und Bundesverteidigungsminister Scharping vorwerfen, sie hätten sich durch ihr Verhalten der Tötung von unschuldigen Menschen strafbar gemacht, ist zwar festzustellen, dass durch die NATO-Luftschläge Zivilpersonen getötet wurden.

Ob diese objektiven Fakten den angezeigten Politikern jedoch auch zugerechnet werden können, kann dahinstehen, da das ihnen zur Last gelegte Verhalten sich aus Rechtsgründen nicht als Straftat darstellt.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die für den Einsatz der Bundeswehr Verantwortlichen im Rahmen des ihnen zustehenden politischen Ermessens zusammen mit ihren Bündnispartnern ausschliesslich in dem Bestreben gehandelt haben, eine völker- und menschenrechtswidrige Unterdrückung und Vertreibung der Kosovo-Albaner abzuwenden und zu beenden. Dass in den Resolutionen des UN-Sicherheitsrates 1199 und 1203 vom 23.9.1998 und 24.10 1998 lediglich Verstösse gegen Menschenrecht und humanitäres Völkerrecht und eine Bedrohung des Friedens in der Region festgestellt, Zwangsmassnahmen allerdings nicht beschlossen wurden, ist letztlich unbeachtlich. Unabhängig davon, ob man die Auffassung teilt, wonach das Nordatlantische Bündnis mit seinem Vorstoss zur Durchsetzung der Menschenrechte einer längst überfälligen völkervertraglichen Pflicht nachgekommen und die humanitäre Intervention des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses daher bereits auf der Ebene des positiv geltenden Völkerrechts rechtmässig sei (zu vgl. Wilms, ZRP 1999, 227), waren die Angriffe der NATO-Einheiten schon deshalb nicht strafbar, weil vorliegend eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben der Kosovo-Albaner aufgrund der Übergriffe der jugoslawisch-serbischen Militärkräfte vorlag und der militärische Eingriff letztlich der Herstellung einer friedlichen Lösung des Konflikts und der Beendigung der Ermordung und Vertreibung der Kosovo-Albaner durch die serbischen Sicherheitskräfte diente.

Bei dieser Sachlage erübrigt sich eine weitere Aufklärung der erhobenen Vorwürfe. Alle erkennbaren Fallgestaltungen sind nämlich unter den Gesichtspunkten der §§32 ff. StGB bzw. des übergesetzlichen entschuldigenden Notstands entweder gerechtfertigt oder aber entschuldigt.

Hochachtungsvoll

(König)

Unterschrift

Oberstaatsanwalt